Was soll ich mit Fragen?

In den sechziger Jahren habe ich eine Ausbildung zum technischen Groß- und Außenhandelskaufmann absolviert und einige Jahre in dem Beruf gearbeitet.

Darauf aufbauend habe ich Anfang der siebziger Jahre ein betriebswirtschaftliches Studium angeschlossen. Während des Studiums habe ich außerdem die Ausbildereignungs-Prüfung abgelegt, die mich befähigt und berechtigt hat, kaufmännische Lehrlinge, wie sie damals hießen, auszubilden.

 

Als ich Ende der siebziger Jahre meine Tätigkeit beim DRK-Suchdienst Hamburg aufnahm, habe ich schon bald dafür gesorgt, dass dort ein kaufmännischer Ausbildungslehrgang eingeführt wurde, den ich dann auch als Ausbildungsleiter neben meiner eigentlichen Tätigkeit als Abteilungsleiter betreut und begleitet habe.

Der damalige Direktor des Suchdienstes war allerdings sehr skeptisch, weil er der Auffassung war, dass „Suchdienst“ doch kein Ausbildungslehrgang sein könne. Ich konnte ihn aber davon überzeugen, dass der Suchdienst als solches kein Ausbildungslehrgang sei, aber alle damit in Zusammenhang stehenden Verwaltungsaufgaben, wie z.B. Innerer Dienst, Buchhaltung, Einkauf, Korrespondenz, EDV und Personalwesen schon. Und in der Tat hatte der Suchdienst in der Folge auch überdurchschnittliche Erfolge in der kaufmännischen Ausbildung erzielt.

 

Wahrscheinlich auch deshalb hatte mich Anfang der neunziger Jahre eine Mitarbeiterin der Handelskammer Hamburg angerufen, um mich für eine Mitarbeit in einem Prüfungsausschuss der Handelskammer zu bewegen. Diese Prüfungsausschüsse sind zuständig für die Abnahme der Prüfungen zum Ende einer kaufmännischen Ausbildung.

 

Mein Einwand, dass meine eigene Ausbildung und mein Studium schon zwanzig und mehr Jahre zurücklägen, ließ die Mitarbeiterin nicht gelten.

Das wäre kein Problem, versuchte sie mich zu überzeugen, sie könnte mir gängige Fragen zuschicken, an denen ich mich orientieren könnte.

Ganz spontan schoss es aus mir heraus, "die Fragen alleine nützen mir gar nichts! Was ich brauche, sind die Antworten...."

 

Die Mitarbeiterin der Handelskammer ließ aber nicht locker und konnte mich schließlich "überreden" und ich bin ins kalte Wasser gesprungen und habe in einem Prüfungsausschuss der Handelskammer mitgewirkt, schon bald als Vorsitzender dieses Prüfungsausschusses.

 

Diese Prüfungsausschüsse bestanden in der Regel aus einem Vertreter der Arbeitnehmerseite, meist einem Gewerkschaftsmitglied, einem Lehrer aus der Berufsschule und einem Vertreter der Arbeitgeberseite, den ich in diesem Fall verkörperte.

 

Während des Prüfungsablaufes stellte ich allerdings schon bald fest, dass die Prüfungen für mich wohl ähnlich anstrengend waren wie für die Prüflinge, denn ich musste ja nicht nur die Antworten der Prüflinge auf die Fragen bewerten, die ich selber gestellt hatte, sondern ich musste auch ggfls. die Antworten mitbewerten, die die Prüflinge z.B. zu den Fragen des Lehrers gegeben haben und dafür musste ich mich zum Teil an meine eigene Ausbildung erinnern und die lag ja nun schon einige Jahre zurück.

 

Trotzdem habe ich die Prüfungen überlebt und ich entwickelte schon bald ein Gespür dafür, ob der Prüfling tatsächlich keinen blassen Schimmer hatte oder ob er vor lauter Nervosität Gelerntes nicht abrufen konnte. In diesem Fall konnte man meistens beruhigend und etwas unterstützend auf ihn einwirken.

 

Obwohl ich meiner Mitwirkung in einem Prüfungsausschuss inzwischen auch Positives abgewinnen konnte, weil ich Jugendlichen ihren Weg in die Berufswelt ebnen konnte, war ich doch eher froh darüber, dass ich nach einigen Jahren aus dem Prüfungsausschuss aus Zeitgründen ausscheiden musste, weil ich die Leitung des DRK-Suchdienstes Hamburg mit seinerzeit 160 Mitarbeitern übernommen hatte und die beiden Aufgaben beim besten Willen zeitlich nicht mehr unter einen Hut bringen konnte.

 

Nachsatz

Diese Story hat einer Auszubildenden wahrscheinlich ein wenig geholfen, ihre Abschlussprüfung zu bestehen

In unser Arztpraxis war eine Auszubildende beschäftigt , die ich mal vor einiger Zeit fragte, wie weit sie denn mit ihrer Ausbildung sei. Da sagte sie zu mir und sie war ein wenig aufgewühlt, sie hätte bald Abschlussprüfung und sie hätte so furchtbare Angst vor der Prüfung und vor allen Dingen vor den Prüfern.
Ich sagte ihr daraufhin, das brauche sie nicht unbedingt zu haben, denn ich selbst war mal Prüfer in einem Prüfungsausschuss der Handelskammer für kaufmännische Berufe und zuletzt deren Vorsitzender und was ich da so erlebte , habe ich mal in eine Geschichte gepackt und die könne sie auf meiner Homepage unter "Geschichten aus dem Leben" und "Was soll ich mit Fragen" mal nachlesen. Sie hat es getan und als wir uns dann wiedergesehen haben, wäre sie mir bald um den Hals gefallen und sie sagte "Vielen vielen Dank Herr W.... jetzt habe ich keine Angst mehr vor der Prüfung und vor allen Dingen vor den Prüfern" und sie hat ihre Prüfung dann auch gut bestanden und ist heute dort eine beliebte Arzthelferin. Und immer wenn wir uns sehen, hat sie ein par warme Worte für mich.