Silberhochzeit

Vor einigen Jahren haben wir unsere Silberhochzeit mit vielen Verwandten, Freunden und Nachbarn gefeiert. Es war eine sehr schöne Feier, die wir in dem Festsaal eines befreundeten Sportvereins gefeiert haben.
Zur Begrüssung habe ich unsere Gäste willkommen geheissen und ein wenig aus dem bewegten Leben von Renate und mir erzählt, in dem sich in den ersten Jahren unserer Freundschaft Licht und Schatten abwechselten.
Auszüge nachstehend:


Liebe Gäste,

 

Zunächst einmal einige Worte vorweg. Wir haben uns vor einigen Jahren Aktien gekauft und gleichzeitig das Hotel Atlantic für die heutige Feier gebucht. Von den Kursgewinnen sollte diese Feier heute bezahlt werden. Leider haben wir auch Telekom-Aktien gekauft und so mussten wir Atlantic absagen und sind heute hier gelandet. Da Renate und ich dem Sport in Hamburg-Wandsbek jedoch in ganz besonderer Weise verbunden sind, sind wir hier bei dem netten Wirt Ottmar und seinem Team ganz besonders gut aufgehoben.

Renate und ich dürfen Euch alle sehr herzlich willkommen heißen. Es freut uns, dass wir unsere Verwandten, unsere Freunde und unsere Nachbarn hier und heute begrüßen können.

Manche Leute sagen ja, der Unterschied zwischen Freunden und Verwandten sei der, dass man sich Freunde aussuchen kann, Verwandte aber bekommt man frei Haus geliefert.

Renate und ich haben jedoch das große Glück, dass wir unsere Verwandten auch als unsere Freunde ausgesucht hätten.

Es freut uns, dass hier und heute Freunde von uns dabei sind, die mich und später Renate und mich seit über 40 Jahren begleitet haben und alle Höhen und Tiefen unserer Beziehung zum Teil aus nächster Nähe miterlebt haben. Da wir heute ja unter uns sind, will ich ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern.

 

Mit einem dieser Freunde, mit seiner Frau und den Kindern bilden wir seit etlichen Jahren eine Art Großfamilie. Ist vielleicht auch kein Wunder. Unsere Freundin von nebenan ist Schwedin und auch ich habe schwedische Wurzeln. Meine Grossmutter väterlicherseits ist nämlich ebenfalls Schwedin. Meine Großmutter mütterlicherseits ist übrigens Wienerin. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb bei mir die gelungene Mischung aus nordischer Kühle und südländischem Temperament zu finden ist.

 

Weitere langjährige Freunde waren fast immer zugegen, wenn in Renates und meinem Leben wieder einmal eine Weiche gestellt wurde. Da Renate aus einer Eisenbahnerfamilie kommt, werde ich auf einige dieser Weichen noch zu sprechen kommen.

 

Renates Vor- und Zwischenleben kenne ich nicht wirklich, deshalb kann ich nicht beurteilen, was sie so alles gegen mich eingetauscht hatte.

 

Mein Vor- und Zwischenleben kenne ich da schon besser. und ich glaube, dass der eine oder andere von Euch auch bestätigen kann, dass ich immer sehr nette Freundinnen hatte, meistens waren es sogar Verlobte.

 

Ich bin mir aber hundertprozentig sicher, dass Ihr alle bestätigen werdet, dass ich mit Renate das große Los gezogen habe oder, wie wir Engländer sagen, simply the best.

 

Einer fehlt heute in dieser Runde, das ist mein Bruder in Australien. Auch er war von dem damaligen Auf und Ab unserer Beziehung in ganz besonderer Weise betroffen.

 

Als die Beziehung zwischen Renate und mir im Jahre 1969 zerbrach, weil mich meine Vergangenheit eingeholt hatte und ich glaubte jemanden aus meinem früheren Leben, der sehr traurig war, auffangen zu müssen, wollte Renate auf Bitten meines Bruders zu ihm nach Australien auswandern, um in seiner dortigen Firma mitzuarbeiten. Einen entsprechenden Arbeitsvertrag hatte sie schon in der Tasche, ein gültiges Visum auch schon und in ihrer Firma gekündigt hatte sie ebenfalls.

 

Sie wurde allerdings durch die Überredungskünste ihrer Familie- insbesondere ihres Vaters- und ihres Chefs, einschließlich einer satten Gehaltserhöhung und lukrativer Einmalzahlungen davon abgehalten, ihren Entschluss auch in die Tat umzusetzen. Damit war der erste Grundstein dafür gelegt, dass wir später überhaupt wieder haben zusammenfinden können.

 

Vier Jahre später wollte ich ebenfalls zu meinem Bruder nach Australien auswandern, als meine damalige Beziehung in die Brüche gegangen war- Mein Studium hatte ich zu dem Zeitpunkt beendet und mein Bruder lag mir schon seit einiger Zeit in den Ohren.

 

Wahrscheinlich hatte er sich gesagt, wenn ich schon Renate nicht als Mitarbeiterin bekommen kann, dann nehme ich zur Not auch meinen Bruder. Anders als bei Renate bin ich in erster Linie aber nur dadurch an meiner Auswanderung gehindert worden, weil ich in meinem Leben noch nie gegen Pocken geimpft wurde und damals ohne entsprechende Impfungen nicht in Australien einreisen durfte. Die Experten des Hamburger Tropeninstitutes hatten mir zwar gesagt, dass sie mich gegen Pocken impfen könnten, allerdings können sie mir nicht versprechen, dass ich danach nicht auch die Pocken durchmache, weil mein Körper noch keine Abwehrkräfte gebildet hat. Da habe ich dankend auf die Impfung verzichtet.

 

Dass auch ich tatsächlich auswandern wollte, mag man daran erkennen, dass ich seinerzeit mit meinen Freunden mindestens ein Jahr lang Abschied gefeiert habe. Solange hatte es nämlich gedauert, bis ich als Nicht-Pockengeimpfter eine Ausnahmegenehmigung für die Einreise nach Australien erhalten habe, für die mein Bruder sich sehr eingesetzt hatte. Einige von Euch hatten durch unsere etwas längere Abschiedsfeier fast ihre Partnerschaft aufs Spiel gesetzt.

 

Einige Wochen bevor ich jedoch die Ausnahmegenehmigung erhalten hatte, habe ich hier nach einigen Gelegenheitsjobs eine feste Anstellung angenommen und mich daraufhin kurzfristig entschieden, nicht nach Australien auszuwandern. Damit war ein weiterer Grundstein gelegt, dass Renate und ich wieder haben zusammenkommen können.

 

Was mich im Rückblick allerdings ganz besonders beschäftigt ist die Tatsache, dass mir im Gegensatz zu Renate kein Mensch Geld geboten hatte, damit ich hier bleibe. Allerdings hatte mir auch keiner Geld geboten, damit ich endlich abhaue.

 

Zunächst hatte der liebe Gott aber die Wege geebnet, oder wie wir Eisenbahner sagen, die Weichen gestellt, dass Renate und ich wieder zusammengefunden haben.

 

Es war Vatertag im Jahre 1974. Am Montag darauf hatte ich mündliches Examen zum Ende meines Studiums, das ich damals mit sehr viel Ehrgeiz und vermutlich auch unter Vernachlässigung anderer Dinge, wie z.B. meiner damaligen Beziehung, betrieben habe. Trotzdem habe ich mir aber gesagt, die Vatertags tour mit deinen Freunden die machst du mit. Ich habe sie mitgemacht und in dem Ausflugslokal, in dem wir unter anderem fernab der Heimat landeten, traf ich einen Arbeitskollegen meiner damaligen Verlobten und da hat der liebe Gott zu mir gesagt, deine Verlobte ist auch hier.

 

Ich habe sie gesucht, gefunden und danach stand mein Entschluss fest, nach Australien auswandern zu wollen. Alles Weitere habe ich schon gesagt. Vielleicht noch so viel, dass ich vielleicht doch ein wenig zu viel mit meinem Studium beschäftigt war. Ich war ja auch ein Student im fortgeschrittenen Alter.

 

Der Vatertag ist für Renate und mich auch deshalb ein so wichtiges Datum, weil er nicht nur dafür gesorgt hatte, dass wir wieder haben zusammenfinden können, sondern am Vatertag genau vier Jahre später hätte er fast unsere Eheschließung verhindert.

 

Ich habe an diesem besagten Vatertag zusammen mit meinen Freunden ein Fußballspiel bestritten. Am Tage nach dem Vatertag war unsere standesamtliche Trauung angesagt.

 

Auf jeden Fall habe ich bei diesem Fußballspiel ein blitzsauberes Tor geschossen nach einem fulminanten Sturmlauf. In Profi-Manier habe ich danach einen Salto oder so etwas ähnliches gemacht, liege auf dem Boden und alle Mannschaftskameraden warfen sich auf mich, um mir zu gratulieren zu diesem Traum-Tor.

 

Es war schon schlimm genug, dass ich am Montag darauf nicht an einer Tagung in Kiel teilnehmen konnte, weil ich mir eine Rippe angeknackt hatte und mir Sprüche anhören musste, wie z.B. "So eine Hochzeitsnacht hätte ich auch mal gerne gehabt" oder "Mensch, Du musst  ja eine tolle Frau haben."

 

Viel schlimmer aber war die Tatsache, dass am Tage nach dem Fußballspiel der Standesbeamte gegen Mittag auf uns gewartet hat. Renate ist morgens früh aufgestanden, um noch zum Friseur zu gehen. Als sie nach einigen Stunden wieder zurückkam, lag ich noch im Bett und stöhnte, ich bekomme keine Luft, ich kann nicht aufstehen, ich habe mir, glaube ich,  eine Rippe gebrochen.

 

Und da hättet Ihr mal Renate erleben sollen. Sie lief zur Höchstform auf und hat mich erst einmal eingenordet. Ich stand notgedrungen auf, um mit ihr zum Standesamt zu gehen, aber ich glaube, unsere Ehe wäre in Frage zu stellen, wenn ein Bürokrat darauf kommen würde, dass es an einer ordnungsgemäßen Unterschrift von mir mangele, denn mein Gekrickelt konnte man wahrlich nicht als Unterschrift bezeichnen.

 

Aber auch das haben wir glücklich überstanden und frei nach einem ehemaligen Berliner Bürgermeister darf ich hinzufügen "und das ist gut so."

Ich komme zu meiner Tischtennis-Mannschaft. Früher die legendäre 2. Mannschaft des Wandsbeker Turnerbundes von 1861 J.P., mit der wir einmal sogar Hamburger Pokalmeister geworden sind. Mit einigen Freunden spiele ich schon 40 Jahre und mehr zusammen. Andere sind vor einigen Jahren dazugekommen. Mit allen verbindet uns aber eine über das Tischtennis hinausgehende Freundschaft.

 

Ein Problem habe ich allerdings. Ich konnte einige Zeit nicht mitspielen und die Bande hat trotzdem gewonnen. Ich hoffe, nicht gerade deswegen.

 

Soviel zu unseren Gästen und zu den verschlungenen Pfaden, die das Leben manchmal für uns bereit hält und für Renate und mich in ganz besonderer Weise bereitgehalten hat.

Ich darf Euch bitten, Eure Gläser zu erheben und mit uns beiden auf unser junges Glück anzustossen und vor allen Dingen darauf, dass alles gerade noch einmal gut gegangen ist.

(im Mai 2003)

 

 

               Renate und Dieter an einem ihrer schönsten Tage

                 (Dieter leidet noh an den Folgen eines vorangegangenen Fußballspieles)