Die Probefahrt, oder es geht nichts über gute Freunde

 

Ein Freund unserer Jungs, der inzwischen auch unser Freund geworden ist, hat sich vor einiger Zeit mit einer Kfz-Werkstatt in unserer Gemeinde selbständig gemacht.

Zuvor musste er jedoch noch seine Kfz.-Meister Prüfung ablegen.
Als guter Kfz-Mechaniker hatte er mit den technischen Dingen keine Probleme. leichte Schwierigkeiten bereiteten ihm jedoch die betriebswirtschaftlichen Fragen, wie z.B. kaufmännische Buchführung, Bilanzierungsfragen o.ä.

Da einer unser Jungs und einer der Freunde von nebenan während ihrer Ausbildung oder ihres Studiums auch mit betriebswirtschaftlichen Fragen zu tun hatten, hat sie unser Freund gebeten, ihn bei der Vorbereitung auf seine Prüfung zu unterstützen, was sie natürlich sehr gerne machen wollten.

Eines Tages stand unser Freund mit seinen Unterlagen vor unserer Tür und wollte mit unseren Jungs zusammen lernen. Leider war an diesem Tag keiner von ihnen zuhause. Nachdem er mir erzählt hatte, weshalb er gekommen sei, habe ich ihn herein gebeten und ihm verraten, dass meine kaufmännische Ausbildung und mein Studium der Betriebswirtschaft zwar schon 20 Jahre und mehr zurücklägen, aber das werden wir beide schon noch hinkriegen.

Wir haben uns also zusammengesetzt und das ganze Wochenende über Buchführung, insbesondere Buchungssätze, Eröffnungs-, Schlussbilanzen etc. geübt. Dabei entdeckte ich eine Eigenschaft bei mir, die ich bei meinem Vater früher immer als lästig empfunden hatte: Auch ich fing bei meinen Erklärungen meistens bei Adam und Eva an. Trotzdem hat mich unser Freund zum Ende unseres gemeinsamen Lernens wissen lassen, dass ihm nun einiges klar geworden sei und er hat seine Meisterprüfung dann auch ohne weitere Schwierigkeiten bestanden.

 

Nachdem er seine Werkstatt hier bei uns im Ort eröffnet hatte, bei deren Einrichtung unsere Jungs und andere Verwandte von uns ein wenig mitgeholfen haben, habe ich ihm als Ruheständler angeboten, für ihn Erledigungen zu übernehmen -natürlich ohne Bezahlung, wie z.B. Ersatzteile zu besorgen etc.. So hatte er mich dann auch gebeten, ein Kundenfahrzeug zu einer Spezialuntersuchung zu bringen, Ersatzteile zu besorgen oder ein Kundenfahrzeug nach der Reparatur seinem Besitzer auszuliefern. Ein anderes Mal bat er mich, beim Arbeitsamt Erkundigungen einzuholen, ob es Zuschüsse gibt, wenn er als Existenzgründer Mitarbeiter einstellt, die zuvor arbeitslos waren.

Ich machte mich also auf den Weg zum Arbeitsamt, um die entsprechenden Informationen einzuholen.

Als ich bei der zuständigen Sachbearbeiterin vorstellig wurde und ihr das Anliegen unseres Freundes erklärte, war das einzige, was sie zu mir sagte, da müsste Herr XY schon selber hier vorsprechen. Nach kurzer Sprachlosigkeit schwoll mein Kamm sehr schnell an. Ich weiß nicht, ob ich laut geworden bin, aber ich machte der jungen Dame unmissverständlich klar, dass Herr XY sein Geld nur dann verdient, wenn er an den Autos seiner Kunden arbeitet und nicht, wenn er sich beim Arbeitsamt lediglich Informationen einholt, das kann sicher auch jeder andere für ihn erledigen. Der Vorgesetzte der jungen Dame gab mir schließlich die gewünschten Auskünfte.

Unvergessen bleibt auch die Hochzeit unseres Freundes, die in einem großen Saal mit vielen Gästen gefeiert wurde. Neben vielen neuen Eindrücken hat uns auch der Vater unseres Freundes ausgesprochen zuvorkommend behandelt. Obwohl wir relativ spät kamen, hat er dafür gesorgt, dass wir einen Platz, gewissermaßen „in der ersten Reihe“ bekamen. Es war eine sehr schöne Feier.

Mich hat später auch sehr beeindruckt, dass unser Freund und sein Vater mich im Krankenhaus besucht hatten, als es mir nicht besonders gut ging. Ich hatte mich sehr gefreut.

Vor einiger Zeit hatten wir unseren Freund gebeten, für uns ein neues gebrauchtes Auto zu besorgen als Ersatz für das Auto, in das uns ein junges Mädchen zuvor in der Gegend von Dresden reingenascht ist, mit dem wir dann auch zu einem Ehemaligen-Treff in den Rheingau fahren wollten. Als wir dann los mussten und unser Freund noch keinen geeigneten Wagen gefunden hatte, weil er an denen, die er in die engere Wahl genommen hatte, immer wieder etwas auszusetzen hatte, sagte ich ihm, er solle erst einmal mit der Suche aufhören, weil ich mir für die Fahrt ein Auto über den ADAC mieten wolle. Nachdem er fragte wie teuer das sei, meinte er das sei zu teuer und er wollte mir unbedingt seinen eigenen Wagen für die Reise leihen. Zunächst wollten wir das lieb gemeinte Angebot nicht annehmen. Als er aber keine Ruhe gab, haben wir schließlich den Wagen doch genommen und sind damit zum Ehemaligen-Treff in den Rheingau gefahren.

Als wir nach einer Woche und 1500 km Fahrstrecke wieder zurückkamen, habe ich aus Spaß zu unserem Freund gesagt, die Probefahrt war gut, den Wagen nehmen wir. Obwohl ich nur Spaß gemacht hatte, war er nicht davon abzubringen, dass wir seinen Wagen haben können. Als er dann keine Ruhe gab, haben wir ihm den Wagen schließlich abgekauft. Schönes Teil. Wir sind sehr sehr zufrieden. Nicht ganz so zufrieden war die Frau unseres Freundes, wie wir später erfuhren, da sie sich auch sehr an den äußerst praktischen Wagen gewöhnt hatte. Umso dankbarer sind wir unserem Freund im Nachhinein, dass er uns seinen Wagen überlassen hat. Es geht eben nichts über gute Freunde.

Unser neues gebrauchtes Auto
Unser neues gebrauchtes Auto

PS Inzwischen hat unser Freund wieder ein fast identisches Auto. Somit ist hoffentlich auch seine Frau wieder zufrieden und wir können es jetzt auch sein.